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Karl der Große - Charlemagne

Die Hausmeier und Karl der Große

 

In den immer wieder vorgenommenen Reichsteilungen zerfällt das Merowingerreich in drei Einzelreiche, die durch nationale Besonderheit voneinander getrennt sind. Das germanische Ostland ist Austrasien, dem auch die abhängig gewordenen Bayern und Thüringer zugehören, weitaus der wertvollste und militärisch der bedeutendste Reichsteil. Neustrien umfaßt das romanische Gebiet mit geringerer germanischer Siedlung, das Land um Paris und südwärts zu den Pyrenäen. Sein südlicher Teil, das rein romanische Aquitanien, wird immer selbständiger. Das Land an der Rhone mit den immer mehr romanisierten Burgundern heißt Burgund.

Verdienst der austrasischen Adelsfamilien der Pippiniden und Arnulfinger ist es, diese Reichsteile nochmals geeinigt und die damals furchtbarste Gefahr für das Abendland, den Arabersturm, der eben die Westgoten vernichtet, abgewehrt zu haben. Sie sind bereits beim Ende der Brunhilde die mächtigsten Herren, Pippin von Landen, auch Pippin der Ältere genannt, und Arnulf, der Bischof von Metz. Sie bekräftigen ihre Freundschaft durch einen Ehebund der Kinder. Begga, Pippins Tochter, wird mit Ansegisel, dem Sohne Arnulfs, vermählt. Pippin der Mittlere ist der Sohn dieser Verbindung. Die beiden Freunde übernehmen für den jungen Dagobert, den Sohn Chlotars, die Regentschaft. Die Ostgrenze ist damals durch das seltsame Slawenreich des fränkischen Kaufmanns Samo bedroht, der König bei den Tschechen geworden ist, die Avaren besiegt und die Slowenen zu seinem Reich gebracht hat. Die Franken werden von ihm bei Wogastinburg (630) geschlagen, die Thüringer können sich nur mit Hilfe der Sachsen eines Einfalls der Sorben erwehren. Als Samo stirbt, ist aber der ganze Zauber vorbei, und erst 200 Jahre später taucht wieder ein Slawenreich auf.

Die Hausmeier würde bleibt fortan geradezu erblich. Nach und eine Zeit auch neben Pippin waltet sein Schwiegersohn Ansegisel, dann Pippins Sohn Grimoald. Da der Majordomus, dessen macht immer mehr wächst, alle Rechte des Königtums wahrt, muß er mit der Fronde des Adels rechnen, worunter besonders die Hausmeier Neustriens zu leiden haben.

Ein Versuch Grimoalds, den rechtmäßigen König stürzend, seinen eigenen Sohn Childebert zum König zu erheben, scheitert durch die Erhebung des Adels. Vater und Sohn werden an Chlodwigs II. (König von Neustrien und Burgund) Witwe ausgeliefert und von dieser hingerichtet (662). Erst nach fast einem Menschenalter kommen die Pippiniden, begünstigt durch die unausgesetzten Wirren in allen Reichsteilen, wieder auf. Gewalttätig herrscht in Neustrien und Burgund des Hausmeier Ebroin, der auch nach Austrasien hinübergreift. Gegen ihn erhebt sich an der Spitze des austrasischen Adels, nun "Herzog der Franken" genannt, Pippin von Heristal. Ansegisels Sohn und Enkel des Pippin und Arnulf. Obwohl er zunächst unterliegt, kann er nach den fürchterlichen Wirren, die in Neustrien nach der dann erfolgenden Ermordung Ebroins ausbrechen, von der Kirche begünstigt und des austrasischen Adels sicher, entscheidend eingreifen. Nachdem er bei Tertry (687) des westfränkischen Adel niedergeworfen, gebietet er allein über das Reich. Seinen Sohn Grimoald macht er zum Majordomus von Neustrien, den zweiten Drago, zum Majordomus von Burgund. Das Reich atmet auf. Pippin bringt durch Heerzüge gegen die germanischen Nachbarn die alte Abhängigkeit wieder in Erinnerung. Das Ansehen, wenn auch nicht die alte Machtfülle des Reiches, stellt er wieder her. Unter ihm wird die fränkische Kirche durch die angelsächsische Mission erneuert. Willibrord beginnt die Bekehrung der Friesen, am Main erleidet bei den Ostfranken Kilian den Märtyrertod.

Ehe Pippin der Mittlere 80jährig stirbt, läßt er sich durch seine Gattin Plektrudis bestimmen, seinen einzigen noch lebenden, allerdings unehelichen Sohn Karl (das Kind der Alpheid) zu enterben und den Theobald zum Hausmeier zu ernennen. Dieser aber ist noch ein Kind, ebenso wie die damals regierenden Merowinger. Die herrschsüchtige Plektrudis regiert. Sie läßt den Stiefsohn in Köln gefangenhalten. Aber gegen sie erheben sich die Neustrier, und von Köln, wohin sich Plektrudis mit dem Schatz geflüchtet, erscheinen plündernd die Sachsen, zu denen die Friesen stoßen. Aus der Hast entkommen, greift Karl ein. Als Plektrudis den Königsschatz den Neustriern übergibt, wird Karl erst recht der Führer der Austrasier. Er überwindet bei Vincy die Neustrier (717) und verfolgt sie bis vor die Tore von Paris. Dann ergibt sich ihm Plektrudis in Köln, und der Fehler des Pippin ist ausgeglichen. Das Land der Sachsen verheert Karl bis zur Weser, die Friesen müssen zur Ruhe zurückkehren. Dann wird er rasch mit dem noch feindseligen König der Neustrier fertig. Bei Soissons besiegt, muß dieser zu Eudo von Aquitanien flüchten. Schließlich versöhnt er sich mit dem Geschlagenen gegen Anerkennung als Hausmeier des gesamten Reiches.

Nun beginnt erst recht seine große Zeit. Er ist der Schöpfer eines neuen fränkischen Heeres, das er aus seinen Vasallen bildet. Diese hat er gewonnen, indem er aus dem Riesenbesitz der Kirche (er umfaßt bereits ein Drittel des gesamten Frankenlandes) weite Ländereien einzieht und als beneficium (Lehen) zu lebenslänglichem Besitz an seine Dienstmannen gibt. Dafür müssen sie ihm nun mitsamt ihren eigenen Vasallen bewaffneten Zuzug zu Pferde leisten. Diese Neugestaltung, beruhend auf dem Treueverhältnis der aktgermanischen Gefolgschaft, wird als Lehensystem Grundlage des Staatsaufbaus im Mittelalter.

Bald zeigt sich der Weitblick der Reform, denn ohne diese Vermehrung der Reiterscharen wäre man dem Arabersturm nicht gewachsen gewesen. Seit 720, wo sich die Muselmänner in den Besitz von Narbonne in Südfrankreich gesetzt, erfolgen fortdauernd Plünderungszüge. Eine Zeit schlafen die Schrecken ein, da Eudo Schwiegervater des Araberführers Othman wird. Als aber dieser durch einen schärferen Wind aus Damaskus seiner Vermittlerstelle verlustig geht, bricht es noch ärger los. Bei Arles erliegt Eudo gegen angeblich 400 000 Araber und Mauren, die unter Abderrahman heranrücken. Es muß zu Karl flüchten, den er bisher bekämpft hatte. Dieser rückt mit seinem ganzen Heerbann, auch mit dem Aufgebot der rechtsrheinischen Germanen, zum Schutz des fränkischen Nationalheiligtums St. Martin bei Tours heran. So weit sind schon die Feinde vorgeflutet. Südlich der Bienne, beiderseits der Straße von Tours kommt es zum Kampf. Die schwergerüsteten austrasischen Scharen halten den Pfeilhagel der Araber stand. Als die Franken am nächsten Tag die Entscheidung erwarten, die der erste noch nicht gebracht, finden sie den Feind geflüchtet, das Lager und unermeßliche Beute ihr eigen. Abderrahman aber liegt auf dem Schlachtfelde. So ist zwischen Tours und Poitiers durch die Kraft des deutschen Volkes, von dem damals alle Stämme mitgefochten haben mögen, der furchtbare Ansturm gebrochen worden (732).

Gewiß können der nicht genügend verfolgten Angriffswelle der Araber noch eine zweite, noch mehrere folgen. Aber es ist das erste unerbittliche Halt! für den Islam in Europa, die erste schwere Niederlage auf offenem Felde, das Scheitern des besten Elans und der sichersten Zuversicht. Karl jedoch hat sich wirklich als Martell, das ist der Hammer, erwiesen. Das Reich ist wieder gefestigt. In Bayern schreitet er zweimal ein, erzwingt die Huldigung und setzt den Odilo als Herzog ein. Erfolgreich kämpft er mit den Friesen, einige Sachsengaue werden bereits tributpflichtig. Nur gegen einen seiner Nachbarn zieht der tapfere Held nicht zu Felde. Es sind die Langobarden, gegen die ihn der Papst aufhetzen möchte. Damals hat ihr tüchtiger König Liutprand (712-744) das Exarchat von Ravenna, die Pentapolis, und die Landschaft Emilia erobert. Durch den Papst aber ließ er sich bewegen, von einem Angriff auf Rom Abstand zu nehmen. Ja er schenkte ihm die Stadt Sutri. Jedoch der Papst lohnt ihm mit Verrat und Aufwiegelung der Südherzoge. Zweimal bringt er Spoleto und Benevent zum Abfall. Der überfromme Liutprand aber läßt sich wieder und wieder von Rom zur Umkehr bewegen. Trotzdem sieht der Papst mit Haß auf die Langbärte. Karl Martell aber läßt sich nicht mißbrauchen. Dafür erscheint auch der Heerbann der Langobarden unter ihrem Könige zu Hilfe, als die Araber im Jahre 739 noch einmal mit gewaltigen Massen die Rhone aufwärts ziehen. Ihr Erscheinen bewirkt den Abzug der Feinde.

Unter Karl Martell erfolgt die Bekehrung der deutschen Stämme durch den Angelsachsen Wynfried, genannt Bonifatius. Schon Ende des sechsten Jahrhunderts sind die ersten Sendboten, es waren Irländer, zu den Alemannen gekommen, Columban und sein Schüler Gallus. Iren hatten auch bei den Bayern und Franken gewirkt. Der Angelsachse beginnt bei den Friesen, zunächst ohne viel Erfolg. Er läßt sich nun vom Papst für Deutschland bevollmächtigen. Seine Kirche ist zum Unterschiede von der schottischirischen, die eine Eigenkirche war und die Richtung zur Nationalkirche in sich trug, durchaus römisch. Wynfried steht in ununterbrochener Verbindung mit Rom, wo er noch zweimal (722 und 738) gewesen ist. In Thüringen und Hessen beseitigt er die irischschottische Kirchenorganisation, führt die römische ein oder bekehrt die noch heidnische Bevölkerung. Bei Geimar hat er die berühmte Donareiche gefällt. Er bringt zahlreiche angelsächsische Mönche und Nonnen nach Deutschland.

732 ernennt ihn der Papst zum Erzbischof, jedoch noch ohne festen Bischofssitz. Herzog Odilo lädt ihn nach Bayern. Auch hier reformiert er und gründet die Bistümer Salzburg, Freising, Regensburg und Passau. Noch stärker ist die Unterstützung, die der Angelsachse durch die Nachfolger Karl Martells erfährt. Er kann die Bistümer Würzburg und Eichstätt in Franken, Erfurt in Thüringen, Buraburg mit Kloster Fritzlar in Hessen gründen. Auch die westfränkische Kirche reformiert er und fordert die von Karl Martell eingezogenen Kirchengüter zurück. Die Sprache Wynfrieds ist sehr energisch. 744 läßt er durch seinen Schüler Sturmi das Kloster Fulda gründen, bald eines der reichsten Klöster Deutschlands und ein Sitz großer Gelehrsamkeit. Vier Jahre später wird Bonifatius als Erzbischof in Mainz eingesetzt. Den fanatischen Glaubensprediger treibt es trotz seiner mehr als 70 Jahre noch einmal aus der Ruhe seines Bischofsitzes heraus zu den Friesen, wo er sein Missionswerk begonnen hatte. Hier erleidet er im Jahre 754 mit 52 Getreuen den wohl heiß ersehnten Märtyrertod. In Fulda findet er seine Ruhestätte. Das Auftreten des Bonifatius in Deutschland hat die schönen Ansätze einer Nationalkirche zerstört.

Die letzten Jahre der Tätigkeit Wynfrieds erfolgten bereits unter den Nachfolgern Karl Martells. Der große Staatsmann ist 711 gestorben. Seine beiden Söhne teilen sich in die Verwaltung des Reiches, Karlmann übernimmt Austrasien, Pippin das übrige Reichsgebiet. Nur da sie einig sind, können sie das großartige väterliche Erbe behaupten. 742 kämpfen sie gegen die Alemannen und gegen die Aquitanier. 743 zwingt Pippin den Herzog Odilo zur Anerkennung der fränkischen Lehenshoheit und zur Abtretung des bayrischen Nordgaues (das Gebiet nördlich der Donau). Und wieder müssen die Alemannen niedergehalten werden.

Im Jahre 743 erheben die beiden Brüder wieder einen Merowingerkönig, obwohl es in der letzten Zeit Karl Martells keinen mehr gegeben hat. Sie treten auch in der Frage der Kirchengüter eine Art Rückzug an. Noch ist die Stellung der Arnulfinger nicht hinreichend stark. Vier Jahre später kommt es zu einem seltsamen Geschehen. Karlmann verzichtet auf seine Herrschaftsrechte und geht nach Monte Cassino in Italien, also ins Kloster, angeblich aus Gewissensbissen, weil er den Heerbann der Alemannen an der Mündung der Nems in den Neckar habe umstellen und niedermetzeln lassen (746). Waren die Franken, besonders der harte Karlmann auf einmal so zartfühlend? Seine Frau und Söhne, von jeder Teilnahme an der Macht ausgeschlossen, sind dann geflüchtet, sehr bezeichnenderweise zu den Langobarden.

Pippin waltet weiter im Reiche. Nach dem Tode Odilos setzt er dessen jungen Sohn Tassilo als Herzog in Bayern ein, wofür dieser den Treueid nicht nur dem Frankenvolk, sondern auch Pippin und seinen Söhnen leistet. Mündig geworden, muß er den Eid wiederholen.

Der Majordomus will König werden. Bezeichnenderweise bittet er den Papst um die Billigung. Dieser hat dazu nicht das Recht, aber er nimmt es in Anspruch, hat sich doch sein Ansehen sehr gehoben, viel auch durch die Tätigkeit Wynfrieds. Wenn der heilige Columban oder Ruprecht Heiden bekehrten, geschah dies zur höheren Ehre Gottes, bei Wynfried aber stets auch zur höheren Ehre des Papstes. Vielleicht war er auch der Vermittler der seltsamen Königsmacherei. Pippin wendet sich an den Papst mit der Frage, wer die Krone tragen solle, der wirklich König sei oder der nur die Würde besitze, ohne etwas zu leisten. Die Antwort kann nicht zweifelhaft sein. Zacharias, einer der schlauesten Päpste, gibt den gewünschten Bescheid, und Childerich, der letzte Merowinger, muß mit seinen Kindern ins Kloster, um hier zu verschwinden. Die Kirche macht bei den Franken auf Geheiß des Herrschers die Gegner unschädlich. So sind die Klöster in der Merowinger- und Karolingerzeit gewissermaßen Konzentrationslager für gefährliche Untertanen geworden. Kein Zweifel aber, daß die Kirche eines Tages für so viele geleistete Hilfe Vergütung und Gegenleistung verlangen wird, zunächst in ihrem Streit mit den Langobarden, dann aber in Form stärkeren Einflusses, endlich der Anerkennung der kirchlichen Vormacht. In den Vorgängen dieser Zeit wurzeln letztlich die späteren Sorgen der Salier und Hohenstaufen.

Für seine Krone wünscht Pippin den feierlichen Akt der Salbung durch den Erzbischof von Mainz, eben Bonifatius. Es ist die erste Salbung bei den Franken. Das Amt des Majordomus schafft der neue König ab.

In unangenehmer Sache meldet der Papst die Dankforderung an. Er fordert Hilfe gegen die Langbärte und erscheint selbst, um die Abweisung unmöglich zu machen. Feierliche Ehrung leitet den Empfang ein. In Quierzy wird dann Pippin noch einmal gesalbt. Dann soll es zum Krieg gegen die Langobarden gehen, die alten Freunde seines Vaters. Es ist selbst für den skrupellosen Pippin kein leichter Entschluß. Auch die Großen des Reiches sind keineswegs dafür. Bonifatius und der Papst werden schwere Mühe gehabt haben, die Sache zu drehen. Aber sie bringen noch weit mehr nach Hause. Pippin schenkt dem Papst, der ihm zum Schutzherrn durch Verleihung des Titels Patricius Romanorum ernennt, zu dem Dukat von Rom, in welchem er bereits herrscht, das Exarchat von Ravenna und ein Stück Land, das beide Gebiete miteinander verbindet. Dieses Versprechen von Quierzy, nach der Überlieferung noch weitgehender, ist die Rechtsgrundlage für den Kirchenstaat geworden. Um den Besitz aber noch wirkungsvoller zu begründen, verfaßt ein römischer Geistlicher im dritten Viertel des achten Jahrhunderts dann die Konstantinische Schenkung, nach der Kaiser Konstantin dem Papste Silvester den Besitz Roms, Italiens und des "Abendlandes" überfallen haben soll. Es ist eine Fälschung von weltgeschichtlichen Folgen und jahrhundertelanger Geltung.

Vor dem Aufbruch nach Italien erscheint in letzter Stunde ein Totgeglaubter, um seine warnende Stimme zu erheben. Karlmann ist aus dem Kloster geflohen und wendet sich gegen den Krieg. Im Handumdrehen aber wird er durch kirchliches Einschreiten vom Sohne Martells und ehemaligen Hausmeier zum desertierten Mönch erklärt, der nach kirchlichem Recht nicht gehört werden darf, sondern rasche Bestrafung durch noch strengere Internierung findet. Damit er in sicherer Hut steht, kommt er in ein fränkisches Kloster, nach Bienne, wo der rüstige Krieger auffällig rasch, schon im Jahre 754 gestorben ist. Was hat ihn so schnell hinweggeräumt?

Für Pippin ist der Weg frei, und er ist ihn energisch gegangen, ohne allzu hart mit den Langobarden zu verfahren. König Aistulf, der eben noch Ravenna erobert hat, der schon drohend vor Rom stand, unterliegt bei seinem Angriff auf das weitüberlegene Frankenheer und muß, in Pavia eingeschlossen, einen Vertrag mit dem Sieger eingehen, in welchem er die eroberten Plätze ausgeliefert und auf den vom Papst geforderten Zins verzichtet. Kaum aber sind die Franken über die Alpen zurückgekehrt, als Aistulf vor Rom erscheint. Die Stadt vermag die ersten Anstürmen zu trotzen, und unglaublich rasch sind die Franken wieder zur Stelle. Die Langobarden erliegen neuerdings am Fuße des Mont Cenis, und wieder muß Aistulf nach Pavia zurück und im Herbst 756 wieder kapitulieren. Nun muß er die fränkische Oberhoheit anerkennen und einen jährlichen Tribut versprechen. Pippin aber erneuert nach seinem Siege die Schenkung von Quierzy an den Papst. In einem neuen Feldzug gegen die Langbärte kann sich dann der König nicht mehr entschließen, obwohl auch diesmal die Langobarden die Bestimmungen des Friedens nicht ausführen. Aistulf ist übrigens ein Jahr nach seiner Niederlage durch einen Sturz vom Rosse gestorben. Pippin läßt die Dinge im Süden gewähren, obwohl hier der neue König Desiderius um sich greift und wieder zu Kräften kommt.

Entscheidendes ist durch das fränkische Eingreifen in Italien geschehen. Die Einigung des Landes, die durch Aistulf von der Verwirklichung stand, wurde verhindert. Italien kann fortan keinen Schwerpunkt gewinnen. Der neugegründete Kirchenstaat, der einen Raub an den Rechten des byzantinischen Kaisers darstellt, kostet immer wieder in der Folge die Knochen der deutschen Untertanen, damit der päpstliche Machtanspruch durchgesetzt werden kann. Zuerst die fränkischen Herrscher, dann die deutschen sind so in die italienischen Verhältnisse verwickelt worden, und das Ende war für unsere Geschichte nur beklagenswert

Die letzten Regierungsjahre Pippins gehören der Sicherung des Reiches im Süden. Aquitanien, dessen Herzog Waisar sich trefflich wehrt, soll wieder einverleibt werden. Acht Feldzüge sind notwendig, und erst als Waisar ermordet wird, kann Pippin obsiegen. Ist es das alte Westgotenblut, das sich da so hartnäckig gewehrt? Der Sieg ist teuer errungen, denn die Langobarden haben sich inzwischen wieder fast unabhängig gemacht, und mitten während des Feldzuges hat der trotzige Bayer Tassilo den Rückmarsch in sein Land angetreten und auch ferner an dem Kampfe nicht mehr teilgenommen. Er hat sich mit der Langobardenprinzessin Liutberga vermählt. Wieder spinnen sich von Bayern über die Tiroler Berge enge Verbindungen zu dem benachbarten Germanenvolke. Stehen die beiden einmal gegen die Franken zusammen, dann wird der Kampf ungleich gefährlicher sein als etwa 754 oder 756.

So mögen Pippin, als es mit ihm 768 zum Sterben kommt, schwere Sorgen gedrückt haben. Die Großen, die er zu sich berufen, geben in St. Denis ihre Zustimmung zur Nachfolge der beiden Söhne des Königs, Karlmanns und Karls, die das Reich so teilen sollen, das jeder von ihnen am Rheinlauf und damit an den abhängigen Germanenfürsten Anteil habe. Was mag der König empfunden haben, wenn er bedachte, daß die beiden Söhne nicht gut zueinander standen, beide harte Köpfe besaßen, nicht zur Bruderliebe geneigt? Mochte er nicht an ein stilles Kloster, an einem still gemachten Mann gedacht haben, da sein Bruder und treuer Feldzugsgefährte war?

Sein Nachfolger Karl (768 - 814) — Karlmann ist schon nach drei Jahren gestorben — wird einer der mächtigsten Herrscher der Geschichte. Wenn wir die einzelnen Stationen seiner Erdentaten betrachten, so mögen andere Große der Welt weitere Züge und größere Räume durchmessen haben, rascher aber von der einen Unternehmungen andern ist keiner von ihnen geeilt, kaum einer ist glücklicher in allen seinen Aktionen gewesen als er. Vielfältigste Feldzüge, vielfältigste Reisen! Ein Eroberer und Fundator in allem, was er angreift! Eroberer von Land, Gütern und Wissen. Fundator der Einheit des deutschen Volkes, Fundator der Pflege der deutschen Sprache wie des Studiums der Antike! Begründer aber auch des Kaisertums der Germanen mit seinen verhängnisvollen Wechselbeziehungen zwischen Kaiser und Papst! Er ist eine der stärksten und fortwirkendsten Persönlichkeiten, die das deutsche Volk hervorgebracht hat.

Nach dem Tode Pippins hält eine Zeit seine Witwe Betrada die beiden uneinigen Söhne Karl und Karlmann zusammen. Sie erreicht, verbündet mit dem fränkischen Adel, die Vermählung ihrer beiden Söhne mit den langobardischen Königstöchtern Desiderata und Gerberga. Der Papst Stephan ist vergebens mit Beschimpfungen des Langobardenvolkes, wie mit versteckten Drohungen gegen diesen Ehebund Sturm gelaufen.

Bald aber offenbart sch, daß die Mutter die Einigkeit der Söhne nicht zu erhalten weiß. Karl braucht bei einer aquitanischen Erhebung Hilfe, der Bruder gewährt sie nicht. Obwohl der König trotzdem mit den Aquitaniern fertig wird, ist doch die Freundschaft der beiden zerbrochen. Karl bricht mit Desiderarat und schickt sie schimpflicherweise ihrem Vater zurück. Im selben Jahre (771) stirbt Karlmann, und seine Witwe flüchtet mit ihren beiden Söhne nach Pavia, da Karl ihr Erbrecht beiseite geschoben hat. Gerberga und Desiderata treiben den empörten und gedemütigten Desiderius zur Rache. Er fordert vom Papst, daß er die Söhne Karlmanns salbe. Als dieser es verweigert, rücken die Langobarden wieder vor Rom, wiederum vergebens, denn Karl kommt rasch dem Papst zu Hilfe.

Der Hilferuf erreicht den König im Felde. Er hat im Jahre 772 den Krieg gegen die Sachsen durch eine Reichsversammlung beschließen lassen. Noch in demselben Jahre ist er zum Kampf aufgebrochen. Er erobert die Eresburg und läßt die Irmisul, das sächsische Nationalheiligtum, zerstören. Das hochgehaltene, mit Weihgeschenken geehrte hölzerne Denkmal war ein Abbild der Weltesche Yggdrasil. Die Engern, gegen die der erste Feldzug gerichtet war, erlangen aber Frieden, da Karls Vermittlungsversuch in Italien gescheitert ist, er also ins Feld muß.

Karte vom Reich
Karl der Große

 

Mit zwei Heeren rücken die Franken in Italien ein. Das eine unter Karl selbst geht über den Mont Cenis, das andre führt sein Oheim Bernhard über den seither St. Bernhard genannten Jovisberg. Die Langobarden, die am Ausgang der Pässe an den Flußklausen den Angriff abweisen wollen, unterliegen trotz ihrer Tapferkeit. Desiderius wendet sich nach Pavia, sein Sohn Adalgisus mit Gerberga und den Karlmannsöhnen wirft sich nach Verona. Aber Karl bringt beide Festungen zu Fall, doch vermag Adalgisus nach Byzanz zu entkommen. Gerberga indes mit ihren Kindern verschwindet aus unseren Augen. Bestenfalls haben sie in einem Kloster lebenslängliche Haft gefunden. Noch vor der Kapitulation des Desiderius findet Karl zu einem Besuche in Rom Zeit, wo ihn Papst Hadrian mit großen Ehren als "patricius" begrüßt. Dafür erreicht er die Bestätigung der Pippinischen Schenkung. Desiderius verliert seine Krone. Auch ihm öffnet sich das Kloster. Karl aber nimmt den Namen "König der Franken und Langobarden" an. Er beläßt also die eroberten Gebiete als ein Reich, das nur durch seine Person mit dem Frankenreich verbunden ist. Nach Süden wendet sich der Vorstoß der Franken nicht. Der Herzog von Spoleto unterwirft sich wohl, aber der von Benevent bleibt die ganze folgende Zeit unabhängig. Ohne eine Flotte wäre die Eroberung wohl kaum rasch vonstatten gegangen, hätte auch den Zusammenstoß mit Byzanz gebracht, den der König jetzt nicht brauchen kann.

Das alte Langobardenreich ist tot. Die Langbärte sind dem Schwert der Franken wie dem Haß der Päpste erlegen, der sie verfolgt, seit sie nach 200jährigem Zaudern — spät, zu spät — ihre Hand nach der Ewigen Stadt ausstrecken. Dieselben Langobarden, deren Theudelinde den herrlichen Domschatz von Monza der von ihr selbst erbauten Kirche gestiftet, deren König Grimoald zu Ehren des Erzbischofs Ambrosius ein großes Kloster gegründet, nur einige Gaben aus vielen, wurden vom Papst Stephan in einem Brief an die Frankenkönige "eine treulose und stinkende Nation" genannt, "die nicht einmal zu den Nationen gerechnet wird und von der gewiß die Aussätzigen ihren Ursprung haben." Die Langobarden sind das Beispiel eines durch die Propaganda des Papsttums zerbrochenen Volksschicksals. Wir werden in der deutschen Geschichte erschütternde Gegenstücke dazu erleben.

Im Norden ist der Krieg mit den Sachsen erneut losgebrochen. Über den Volksstamm, der als einziger unter den deutschen noch an seinem alten Glauben und ebenso zäh an seiner alten Art und seinem alten Boden festgehalten hat, seit den Tagen des Tacitus nur wenig sein altes Siedlungsgebiet verändernd, bricht nun der Eroberungskrieg herein. Die Sachsen haben im Frieden noch kein Oberhaupt, nur im Kriege wird, und dies durch das Los, ein Herzog gewählt. Indes, das ist die große Merkwürdigkeit der sächsischen Zustände, besteht eine Art Repräsentativverfassung, gewissermaßen ein Vorläufer der späteren Parlamente, indem alljährlich zu Marklo an der Weser aus jedem Gau je zwölf Vertreter jedes Standes, des Adels, der Frilingen (Freibauern) und der Liten (Hörigen) zur gemeinsamen Beratung zusammenkommen. Zwischen diesen Ständen, auch zwischen dem Adel und den Frilingen, besteht ein Eheverbot bei Todesstrafe, und der Adel genießt ein vielfach höheres Wergeld als die Freien. Die Sachsen zerfallen, rein geographisch, in die vier Stämme der Engern an der Weser, der West- und Ostfalen, westlich und östlich von ihnen, und der Nordalbingier zwischen Elbe und Eider. Im rassischer Hinsicht werden sie nordisch und fälisch gewesen sein. Das ungeheuer erstarkte Frankenreich braucht Sicherheit an den Grenzen, und die Sachsen sind immer unruhig, gern zum Kampfe bereit.

Überall ist die Frankenherrschaft über den Rhein gegangen , die Lücke im Norden muß noch ausgefüllt werden. Der Krieg gewinnt über die Reichsnotwendigkeit hinaus zugleich den Charakter eines Religionskrieges mit allen Grausamkeiten, die den Religionskriegen stets in der Welt eignen. Hier wirken die Autorität und der Fanatismus eines Bonifatius nach. Wir halten in der ersten Generation nach seinem Tode. Der Reformator der fränkischen Kirche, der Bekehrer der Thüringer und Hessen, hat eine religiöse Stimmung entfesselt, die noch der Generation Karl Martells fremd war. Mit Leidenschaftlichkeit wird der Angriff geführt. Die Sachsen verteidigen ihren Glauben und ihre alten Götter, indem sie ihre Freiheit verteidigen. Wenn wir auch heute noch bei diesem Kampfe mit dem Herzen auf ihrer Seite stehen, wenn wir als Kinder, gleichgültig welchen Stammes, unser Herz bluten fühlten, als wir vom Fall der Irmisul, vom Sturz der Donaueiche lasen, vom Ende der sächsischen Freiheit, so ist es zunächst die tiefe Ergriffenheit, die jeden erfaßt, der den Kampf eines Volkes für seine Freiheit und sein Recht beobachtet, das ewige Lobpreisen dessen, "der für seine Hausaltäre kämpfend ein Beschirmer fiel, ehrt den Sieger größere Ehre, ehret ihn das größre Ziel."

Es ist aber auch die aus den Tiefen des Gemüts dringende Empfindung für den Glauben unsrer Altvordern, der uns noch heute ergreift als die Jugend- und Heldenzeit unsres Volkes. Und doch ist kein Zweifel: die sächsische Freiheit mußte sinken, um ein höheres, die deutsche Einheit, gestalten zu helfen. Ohne die Unterwerfung der Sachsen wären die deutsche Stämme, der christliche Teil im fränkischen Weltreich und der heidnischaltsächsische, immer weiter auseinandergekommen. Das Sachsenland wäre ohne die furchtbare Gleichschaltung Karls des Großen vielleicht gar nicht zu einer Gemeinschaft mit den übrigen Deutschen gelangt. Das deutsche Volk aber wäre eines seiner wertvollsten Teile, vielleicht seines damals gesündesten, beraubt worden. Schmerzlich jedoch bleibt die Verbindung von Eroberung und Glaubensvergewaltigung, schmerzlich, daß der alte, artgemäße Glaube nicht der Predigt und dem Märtyrertum erlag, sonder, innerlich noch lebend, mit dem Schwerte des Siegers ausgerottet wurde.

Die Sachsen haben sich, um über die Einzelphasen des Kampfes hinweg gleich auf das Ergebnis zu blicken, über 30 Jahre bis zum Jahre 804 heldenmütig zur Wehr gesetzt, bis sie schließlich dem erbarmungslosen, stellenweise sogar unmenschlichen Druck ihrer überlegenen Gegner erliegen mußten. Es ist sehr die Frage, ob Karl ohne den Bekehrungszwang nicht rascher zum Ziel gekommen wäre. Wertvollstes Blut wäre erspart geblieben. Jedenfalls aber: durch die Unterwerfung der Sachsen wie auch der Bayern entstand aus dem fränkischen das deutsche Volk.

Als Karl von Italien zurückkehrte, da die Sachsen den Rachekrieg begonnen haben, entschließt er sich zur Unterwerfung und Christianisierung dieses Volkes. Der ganze fränkische Heerbann wird auf ihr Land geworfen, das durch seine Bodenbeschaffenheit, durch seine Sümpfe und Wälder, durch seine schlechten Wegverhältnisse kein leichter Gegner ist, ganz abgesehen von der überlieferungsmäßigen Tapferkeit seiner Bewohner. Dem Feldherrn Karl sind sie aber nicht gewachsen. Die Lippe aufwärts, dem alten Eroberungswege der Römer folgend, dringt er vor, nimmt die Eresburg und auch die Sigiburg (Hohensyburg an der Ruhr). Im Bukigau (Bückenburg lassen sich viele vornehme Sachsen taufen. Es ist der Beginn des Abfalls der Adeligen von der Volkssache.

Aber schon 776 ist ein neuer Feldzug nötig. Die Eresburg muß wieder zurückerobert werden. Ein Jahr darauf wird der erste Reichstag im Sachsenlande in Paderborn abgehalten. Hier mögen bereits jene brutalen Gesetze erlassen worden sein, die ein Dokument der Ausrottungskriege genannt werden müssen. Jedes Vergehen gegen die junge christliche Kirche in Sachsen wird mit dem Tode bedroht, jede Verschwörung gegen sie oder gegen den König, jede Unterlassung der Taufe, jeder Bruch der Fastenordnung. Selbstverständlich, daß die wildeste Empörung losbrechen mußte, besonders bei dem schwerflüssigen fälischen Volksteile, der, das bäuerliche Element bildend, am treuesten an der alten Überlieferung festhält und ohne viel die Opfer, die er bringen muß, zu wägen, den Kampf, auch einen bei vernünftigerÜberlegung aussichtslosen, aufnimmt. Wie 1800 die Tiroler unter Andreas Hofer, stehen allenthalben die sächsischen Bauern unter ihrem Führer, dem zähen Westfalen Widukind, gegen die fränkischen Verfolger auf, gerade als der König in der Ferne auf neuem Kriegszuge weilt.

Mit der Unterwerfung der Engern und Westfalen hatte Karl den Krieg als beendet angesehen. Er weilt in Spanien. Auf dem Reichstage von Paderborn war eine Gesandtschaft der Mauren erschienen, den großen Frankenkönig gegen die eigenen Glaubensgenossen anzurufen. Seit den Tagen Pippins ist dort manches anders geworden. Der Islam ist durch die Mordtat des Abdul Abbas gegen die Omeijaden gespalten. In Spanien werden die abbasidischen Mauren von Abderrahman bedrängt. Ihnen zu helfen, geht Karl über die Pyrenäen (778). Zwei fränkische Heere greifen an. Pampeluna, Saragossa und Huesca fallen. In diesem Augenblick kommt die Hiobspost aus der Heimat. Die Sachsen sind von der Lippe, der Ruhr, der Lahn her am Rhein erschienen, nachdem sie überall Klöster und Kirchen zerstört. Am Rheine abgewiesen, sind sie eben daran, über die Hessen und Thüringer herzufallen. Fulda ist bedroht. Karl muß zurück. Seine Nachhut wird in dem unheimlichen Gelände der Pyrenäen von den räuberischen Basken unter ihrem König Lupus überfallen. Sie wird, nach der Sage in der Bergschlucht von Roncesvalles, niedergehauen. Neben angesehenen Führern ist unter den Gefallenen auch der Graf Hruodland von der Bretonischen Mark, der Held der französischen Rolandslieder und des deutschen Rolandsliedes aus dem 12. Jahrhundert.

Rasch ist Karl wieder an dem sächsischen Kriegsschauplatz. Er wirft die Sachsen bei Bocholt an der Aa und dringt, von neuem die Huldigung der Westfalen, Engern und Ostfalen erzwingend, bis an die Weser und Oker. Wieder lassen sich viele Adelige, die wohl zuerst die Unüberwindlichkeit der fränkischen Macht erkennen und deren Machstellung bei der Eingliederung nicht leidet, taufen. Die fränkische Heeres- und Gerichtsverfassung wird eingeführt, neue strenge Strafen werden verkündet, und auch die geistliche Einteilung des Landes wird vollzogen (Reichstag von Lippspringe, 780 und 782). Und wieder hält der König den Krieg für beendet.

Er wendet sich nach Italien, wo er seinen zweiten Sohn Pippin zum König der Langobarden, den dritten Ludwig zum König von Aquitanien salben läßt. Die Macht der Franken wächst auf der Halbinsel immer mehr. Ein langobardischer Widerstand in Friaul ist zusammengebrochen. Karl wird jetzt auch in römischen Angelegenheiten bemüht. Der Papst ist ihm durchaus ergeben. Auf die Nachricht von einem Einfall der Sorben läßt Karl Pippin als König in Italien zurück und wendet sich gegen die neue Erhebung. Die Sachsen weist er an, neben einem ostfränkischen Heere gegen den Feind vorzugehen. Da steht Widukind nochmals auf. Ehe sich noch ein zweites Frankenheer, das nun in Sachsen einrückt, mit dem ersten bedrohten vereinigen kann, wird dieses bei einem unbesonnenen Angriff von den Sachsen am Berge Güntel (782) vernichtet. Vier fränkische Grafen fallen.

Was aber nun geschieht, gehört zu dem Entsetzlichsten unserer Geschichte. Karl erscheint mit einem mächtigen Heere an der Weser und vollzieht ein grauenhaftes Blutgericht an den ihm vom sächsischen Adel ausgelieferten Teilnehmern an der Erhebung. Er läßt in einer beispiellosen Tat des Zornes 4500 Sachsen nach den Buchstaben des Blutediktes zu Verden an der Aller enthaupten. Das Ende aber ist wieder ein anderes, als Karl erwartet. Eine allgemeine Erhebung erfolgt, und die Franken geraten in schwere Bedrängnis. Jedoch ihre bessere Bewaffnung und das Feldherrntalent des Königs siegen. Bei Thiotmallus und an der Hafe unterliegen im Jahre 783 die Sachsen. Aber selbst im nächsten Jahre wird noch gekämpft. Bis zur Weser dringt Karl vor, auch im Winter läßt er das Sachsenland verheeren; er selbst überwintert auf der Eresburg. Im Jahre 785 stößt der Franke bis zur Elbe vor. Der sächsische Widerstand bricht nun zusammen. In der fränkischen Pfalz Attigny erscheint selbst Widukind, die Taufe zu empfangen und sich zu unterwerfen. Der Adel des Sachsenlandes gibt den Kampf auf. Die Bauern aber haben noch 20 Jahre weitergestritten. Und was für Opfer haben sie gebracht.

Wir gehen hier gleich über die Unterbrechungen des Ringens hinweg seinem für die Verteidiger so bitteren Ende entgegen. In den Jahren 794, 795, 796 und 797 erheben sich die Sachsen von neuem. Sie wollen den fremden Priestern den anbefohlenen Zehent nicht zahlen, sie wollen nicht auf den Heerzügen des Schlächters von Verden verbluten. Der König beginnt 795 mit der rücksichtslosen Verpflanzung von Tausenden Sachsenfamilien in das Innere des Reiches. 50 000 Menschen sollen so ihren Wohnsitz gewechselt haben, so alle Bewohner des Wichmuoddiggaues zwischen der Mündung der Elbe und Weser. Es entstehen die Ortsnamen mit dem Stamme Sachsen. Überall rücken in die verlassenen Siedlungen Franken oder rechtzeitig zum Sieger übergetretene Sachsenfamilien ein, in Holstein auch Slawen. Noch bis 804 haben sich die Nordalbingier gewehrt. Gegen sie hat Karl nicht nur mehrere Frankenheere, sondern auch Avaren und Abodriten zu Hilfe gerufen und den Wenden dafür verödetes Sachsenland als Kaufpreis gegeben. So siedeln von da ab Slawen auch westlich der Elbe. Neben Ostholstein erhalten sie Wagrien und das hannoversche Wendland.

Nun ist es im Sachsenland still, allerdings die berühmte Stille des Kirchhofs. Karl gewährt den Überwundenen die rechtliche Gleichstellung mit den Franken. Auf dem Boden des Sachsenlandes entstehen die Bistümer Münster, Minden, Paderborn, Osnabrück, Hildesheim, Bremen, Verden und Halberstadt. Köln und Mainz sind die Erzbistümer für sie. Die Sachsen aber mußten das Schwerste lernen, das es in der Welt gibt: sich abfinden mit dem Untergang dessen, wofür man so lange tapfer gekämpft. Nicht viel später als ein Menschenalter entsteht im Sachsenlande der "Heliand", der das Leben des Heilands schildert, aber echt deutsch erfaßt, ganz in deutsche Welt und deutsches Empfinden hineingestellt. Es gehört dann zu dem Schönsten der deutschen Geschichte, daß kaum 100 Jahre nach der Niederlage aus dem zertretenen Lande der Begründer des deutschen Reiches hervorging und der Aderlaß von Verden völlig überwunden war. Im Zehnten Jahrhundert sind die Sachsen die Führer.

Zu gleicher Zeit, als Windukinds Widerstand zusammenbrach, erfüllte sich das Schicksal des Bayernherzogs. Tassilo lebte seit den letzten Jahren Pippins in seinem Lande unabhängig, bestrebt, auch seiner Kirche die Unabhängigkeit zu sichern und sie in der Verbreitung zu fördern. So entsteht Innichen in den Südtiroler Bergen (769). Acht Jahre später erbaut er unfern der Grenzmark seines Gebietes Kremsmünster. Mit dem Herzog wetteifert sein Adel, und es entstehen die Klöster Scharnitz, Tegernsee und Schliersee. Zugleich mit dieser tief ins heidnische Slawenland eindringenden Christianisierung geht die Verdeutschung des Südostens. Durch Kreuz und Schwert werden die Südslawen zurückgedrängt, die in der Zeit der Völkerwanderung tief in die Alpen vorgedrungen waren. Von Karl trennen den trefflichen Regenten seine langobardische Gattin Liutwerda und sein Freiheitsdrang.

Aber der Herzog ist in seinem Haß bei halben Maßnahmen stehengeblieben. Er trotzt untätig aus der Ferne. Er duldet den Fall seines Schwiegervaters Desiderius. Die günstige Zeit zum Handeln, als der Frankenkönig bis zu den Ohren in Schwierigkeiten und Kämpfen steckt, läßt er verstreichen. Nun ist es zu spät. Nun kann das Weitertrotzen ihn nur den Thron kosten. Wohl hat er zu Worms (781) den Treueid geleistet, war aber grollend und zweideutig geblieben. Karl aber braucht sichere Verhältnisse im Bayernlande. Tassilo erscheint vor einer Wormser Reichsversammlung, wohin er geboten worden, nicht. Nun läßt der König gegen ihn marschieren. Drei Heere sollen die Tore ins Bayernland aufbrechen, Pippin über Bozen und den Brenner, Karl längs der Donau auf Augsburg los, Sachsen und Thüringer vom Norden her. Vor dieser Gefahr bricht der Bayer zusammen. Es bleibt ihm nichts übrig als die Unterwerfung. Aber er versucht, von seiner Gattin angestachelt, auch nachher gegen Karl zu arbeiten.

Es spinnen sich Fäden nach Byzanz, wo der Langobarde Adalgis die Gunst des Kaisers gefunden hat, nach Benevent, zu den benachbarten Avaren. Als der König durch Verrat von diesen Plänen hört, befiehlt er den Herzog eilends vor eine Reichsversammlung in Ingelheim und läßt den Ahnungslosen verhaften. Das Königsgericht verurteilt ihn zum Tode, Karl wandelt das Urteil in Klosterhaft um (788). Tassilo verschwindet mit seinem gesamten Hause im Dunkel der Zelle. Im Jahre 794 läßt der König, als durch die neue Phase des Sachsenkrieges, durch religiöse Streitigkeiten, welche die Gemüter erregen, und auch sonst Unruhe das Reich durchzittert, den gestürzten und zum Mönch geschorenen Bayernherzog vor der Frankfurter Reichsversammlung erscheinen. Tassilo bittet fußfällig für den Hochverrat, dessen er sich selbst bezichtigt, um Verzeihung und verzichtet für sich und seine Erben auf Bayern. Politisch ein meisterhafter Schachzug, menschlich aber ein Vorgang von nicht zu überbietender Grausamkeit, zeigt diese Schändung des für die Welt gestorbenen Mannes, mit welchen Mitteln der große Karl arbeitete. Mit Tassilo sind die Agilolsinger endgültig aus der Geschichte verschwunden.

Nun kommt die Abrechnung mit den Avaren. Die erfolgreiche Abwehr ihrer im Zusammenhang mit einer Erhebung des Adalgis erfolgten Einfälle genügt Karl nicht. Der Großangriff setzt ein, wieder nach dem siegreichen Brauche des Königs, getrennt zu marschieren, aber vereint zu schlagen. Vom Süden her kommt kommt Pippin mit dem Heerbann der Langobarden, links der Donau marschieren die Ribuarier und die rechtsrheinischen Untertanen, die übrigen Franken aber führt Karl rechts der Donau selber zum Kampfe. Als er von Pippins ersten Erfolgen vernommen, geht er über die wilde Enns, den Grenzfluß zwischen Bayern- und Avarenland und erstürmt den befestigten Ring der Feinde am Kamp. Die Avaren haben ihre Befestigungen in Form seltsamer Ringwälle angelegt. Ein zweiter Ring am Wienerwald fällt.

Dann dringt der König bis an die Raab, das feindliche Land verheerend. Aber nun muß er nach Sachsen zurück. Jedoch das Avarenreich ist schon sturmreif gehämmert. Der avarische Tudun bietet im Lager zu Lüneburg die Unterwerfung an. Im Spätherbst 795 bricht Herzog Erich von Friaul in Ungarn ein und überschreitet die zugefrorene Donau. Der Hauptring zwischen Donau und Theiß wird mit stürmender Hand genommen. 796 kann Pippin, der mit dem bayrischen und langobardischen Heerbann einrückt, die Huldigung empfangen. Unermeßliche Beute aus jahrhundertelangen Raubzügen ist eingebracht. Die Reste des Volkes siedelt Karl in der Gegend des alten Carnutum (bei Petronell in Niederösterreich) an. Hier verliert sich ihre Spur. Deutsche Kolonisten aber rücken in das befreite Gebiet östlich der Enns. Der Bayrischen Besiedlung ist nun ein weites Feld eröffnet, die ungarische Tiefebene winkt als köstliches Freiland dem deutschen Volke. Es ist eine Schicksalsstunde des Südostens.

Karl hat die Ernte der Schlachten eingebracht. Auf dem Reichstag von Paderborn (799) darf er sich als Schiedsrichter des Abendlandes fühlen. Er hat die Streitigkeiten englischer Teilfürsten geschlichtet, die Huldigung des Königs von Asturien empfangen. Der Papst, der in Rom überfallen, mißhandelt und gefangengehalten worden war, ist hilfeflehend auf dem Reichstag erschienen. Der Herzog von Spoleto hat ihm auf der flucht Aufnahme gewährt, aber nur Karl kann ihn wieder nach Rom zurückführen. Auch erscheint aus weitester Ferne die Gesandtschaft des mächtigen Harun al Raschid aus Bagdad, um den Frankenkönig die freundschaftlichen Grüße des Kalifen zu entbieten, ja ihm die Schutzgewalt über die heiligen Stätten zuzugestehen.

Dem Papste zu helfen, eilt der König nach Rom. Im November des Jahres 800 in der ewigen Stadt angekommen, führt er Leo III., nachdem sich dieser durch einen Reinigungseid gerechtfertigt, wieder in sein Amt. Kurz darauf, beim Weihnachtsgottesdienste, setzt dem betenden Karl der Papst Leo, wie überliefert wird, überraschend eine Krone auf, worauf ihn die Geistlichen und die Römer als Kaiser und Augustus mit einer Huldigungslitanei begrüßen. Der Papst aber huldigt ihn auf Knien. Wie Karls Biograph Einhard versichert, wird der Kaiser überrascht, er habe erklärt, "er würde an jenem Tage trotz des Hohen Festes die Kirche nicht betreten haben, wenn ihm die Absicht des Papstes vorher bekannt gewesen wäre." Andrerseits ist eine völlige Überraschung kaum denkbar. Die Umgebung Karls, in der sich Männer wie der Angelsachse Alkvin befanden, wohl auch er selbst, mögen den Gedanken der Kaiserkrönung erwogen haben, der ja auch auf der bonifazischen Linie lag und auch der Idee des Gottesstaates des Augustinus von Hippo, den Karl durch Alkvin kannte, aus dem er sich gerne vorlesen ließ, entsprach.

Ein Haupt über der geeinigten Christenheit, ein Reich des Glaubens und der Gerechtigkeit! An eine Legitimierung seiner Machstellung Byzanz gegenüber hat der Franke wohl kaum gedacht. Für einen Herrscher, der die Besieger Ostroms, die Langobarden überwunden, dem der Papst als dem Schutzherrn von Rom fast Untertanengehorsam entgegenbrachte, kam dies nicht in Frage. Gut begreiflich aber ist es, daß der Kaiser die plötzliche Krönung durch den Papst peinlich gewesen. Das Kaisertum konnte so als eine Gabe des Papstes erscheinen. Die Krönung war dann geradezu eine Umkehr der Lage, war doch der Papst vor dem Weihnachtsfeste noch ein schwerer Vergehen Beschuldigter, und der Kaiser hatte ihm in einer unangenehmen Lage Hilfe geleistet. Nun aber hat derselbe Papst Karl vor aller Welt die gewaltigste Würde des Abendlandes, die so lang geschlummert, durch die Krönung verliehen. Leo mag irgendwie Kenntnis erhalten haben, daß Karl sich in Rom die Kaiserkrone aufs Haupt setzen wollte.

Er kommt zuvor und vermag das Ganze in einen Triumph Roms und in einen fortzeugenden römischen Auch zu verwandeln. Zunächst allerdings ist davon nichts zu verspüren. Aber da ist stets das Geheimnis solcher Wirkungen. Karl wird fortan ganz besonders auf seiner Hut gewesen sein. Er behauptet seine starke Stellung, denn er hat wirklich, wie Alkvin von ihm sagt, das geistliche und das weltliche Schwert in der Hand. Wenn aber einmal ein schwacher Frankenherrscher die Kaiserkrone tragen wird? Werden nicht die Ansprüche des Papsttums ins Umgemessene wachsen, um die weltliche Gewalt zu überschatten? Hier ist Saat dem Erdreich anvertraut worden, aus der Unheilsernte schoß, für das fränkische wie für das deutsche Kaisertum.

Nach der Kaiserkrönung erstrebt Karl die Anerkennung durch Byzanz. Hat er sie als gleichberechtigter Kollege des oströmischen Kaisers empfangen, dann kann er über den päpstlichen Akt der Krönung hinwegsehen. Er soll erwogen haben, sich mit der griechischen Kaiserin Irene zu vermählen, mit ihr seine fünfte Ehe einzugehen. Es ist nichts daraus geworden, und schließlich erreicht Karl auch anders die Anerkennung durch das griechische Kaisertum. Aber bis dahin (812) sind doch etwas ruhige Zeiten gewesen, denn der Kaiser — wer kann ihm das verdenken? — ist nach den endlosen Feldzügen ruhebedürftig geworden.

Nach der Besiegung der Sachsen und der Kaiserkrönung, diesen beiden bedeutungsvollsten und fortzeugendsten Momenten in der Geschichte Karls des Großen, ist das Gefüge des Reiches nach außen hin gerundet. Die Folgezeit gilt nur noch dem Schutz der Grenzen und dem Ausbau der inneren Verwaltung. Karl errichtet überall dort, wo die Grenzen am strittigsten sind, wo am meisten fremde Völkerschaften gegen empfindliche Stellen des Reiches anprallen können, eigene Verwaltungsgebiete, die nicht der gewöhnlichen Grafengewalt unterstehen, sondern als Marken von Markgrafen geleitet werden, die mit weit größerer Verantwortung auch eine größere Machtvollkommenheit besitzen als die Binnengrafen im Reiche. Sie dürfen selbständig der Heerbann aufbieten und erhalten auch eine größere Anzahl von fränkischen Vasallen zur Verteidigung des Landes zugeteilt. So entstehen die Marken: die spanische mit Barcelona, die dänische zwischen Eider und Schlei, die sächsische zwischen Elbe und Kiel gegen die Abotriten, die thüringische oder sorbische gegen die Sorben an der Saale, die fränkische im Nordgau gegen die Tschechen. Das Land zwischen Wienerwald und der Enns wird als Ostmark ebenfalls einem Markgrafen unterstellt. Pannonische Grafschaften breiten sich noch vor ihr aus.

Neben der Sicherung der Landesgrenzen, die den greisen Karl etwa noch 810 zu einem kriegerischen Zusammenstoß mit dem dänischen König Gottfried führt, tritt die Sorge um die Küsten. Auf ihren leichten, raschen Fahrzeugen greifen seit 799 Wikingerscharen immer kecker die fränkischen Gestade an, im Atlantischen Ozean, wie ein Gestade des Mittelländischen Meeres. Einmal bei Marseille geradezu vor den Augen des großen Kaisers! Bei diesem Umsichgreifen der Piraten muß er mit der größten Sorge an die Zukunft denken. So läßt der Kaiser an seinem Lebensabend eine starke Flotte erbauen, sicherlich ein schwerer Entschluß, denn die Franken sind bis dahin immer ein Binnenvolk gewesen.

Verfügt Karl aber erst über eine Flotte, dann kann er sich im Süden anders als jetzt durchsetzen, dann kann er auch dem Dänenkönig seine ewigen Feindseligkeiten anders als bis jetzt heimzahlen. Dann kann er ihm in seine Inselwelt nachfolgen, und dann wird der Zauber rasch beendet sein. Dann — ja, welch neuer Umkreis von Aufgaben taucht mit diesem "Dann" auf! Aufgaben ganz andrer Art, als sie bisher der Kaiser zu lösen gehabt. Eine neue Welt muß vor dem alternden Manne aufgestiegen sein, ähnlich wie einst vor dem altgewordenen Bismarck, als er den Hamburger Hafen besuchte. Karl läßt die Flotte mit all seiner Energie fördern. Ausgefahren ist sie niemals, und Dänemark ist von ihm nicht mehr erobert worden. Karl ist vorher gestorben, und sein Nachfolger hat nicht entferntest die Tatkraft besessen, diese Waffe schlagfertig zu gestalten. Eines Tages werden die fränkischen Küsten eine sichere Beute der Normannen sein.

Noch eine andere Sorge wird den Kaiser je länger, je mehr gequält haben. Die Wehrkraft des Frankenreichs sinkt. Zuviel Freie haben sich schon in den Rechtszustand des Hinterlassen begeben, um den drückenden Pflichten des Freien, der Teilnahme an den Thingen und der langdauernden Wehrpflicht, zu entgehen. Es ist begreiflich. Dieser Kaiser, der fast jedes Jahr irgendwo mit Heereskraft unterwegs war, hat die militärische Leistungsfähigkeit der Franken ganz anders in Anspruch nehmen müssen als irgendein König vor ihm. Karl erkennt die Gefahr. Er sucht den Freien die Lasten der Teilnahme an der Gerichtsbarkeit möglichst zu mildern. Er zieht die Heerbannbuße in milderer Weise ein, sucht die Kriegslasten für die Minderbemittelten zu vermindern.

Aber dennoch muß er immer mehr auf das Wehrsystem des aufkommenden Lehenssystems greifen, um seine Heere zu füllen, um die Reiterscharen zusammenzubekommen, die jetzt immer mehr das Bild der Feldzüge beherrschen. Der Bauer scheidet, der Reiter kommt auf. So sehen wir Karl stets neue Lehensgüter vergeben, neuen Grundbesitz verteilen, um die erforderliche Zahl streitbarer Dienstmannen zu erlangen. Ein neuer Wehrstand bildet sich, durch ständige militärische Bereitschaft im Waffenhandwerk trefflich geschult. Aber die alte Musterungsstätte des Maifeldes, einst Volksversammlung und mobilisierte Heeresmacht zugleich, beginnt zu verkümmern. Die fränkischen Heere werden bald nicht mehr die alte unverwüstliche Kraft besitzen, zumal wenn Karls Nachfolger versagt. Auch hier steigen Wolken auf, die dem scharfen Blick des Kaisers gewiß nicht entgangen sind.

Überhaupt, auch dieses Werk trägt den Charakter des Einmaligen, Persönlichen! Ein Reich, das vom Ebro bis zur Schlei, vom Garigliano in Italien bis zum meridionalen Lauf der Donau reicht, dem die Südslawen zinspflichtig geworden sind wie die Wilzen, Sorben, Abotriten und Tschechen im Nordosten, das aber doch so Widerstrebendes vereint, dessen Erhaltung einen genialen Herrscher voraussetzt, der seine Augen auf alles gerichtet hält, ein Reich, eben erst unter schweren Kämpfen zusammengefügt, wird die Tendenz zeigen, in seine verschiedenen Bestandteile auseinanderzufallen, da ja nicht immer ein Karl regieren kann. Das Schicksal dieses neuen Imperiums steht also stark in Frage, wenn ein rauherer Wind zu wehen beginnen wird. Sein Gepräge als Gottesreich, das ihm einen so feierlichen Charakter verleiht, kann auch nur für eine gewisse Zeit dauern. Tatsächlich ist es ja bereits unter Karls Sohn Ludwig zur Frömmelei entartet und der Staat ein Spielball dabei geworden.

Wie fest steht noch alles unter Karl gefügt! Ein Staat, in welchem nichts Wichtiges dem Herrscher entgehen kann, der durch seine Königsboten die zahlreichen kleinen Grafschaften unter ständiger Kontrolle hält und Mißbräuche abhilft. Der nicht von der Kirche beherrscht wird, sondern in seinem Reiche die Kirche restlos beherrscht, de selbst in Fragen des Glaubens entscheidend eingreift. Er hält Synoden der Bischöfe ab, als wären es die Reichsversammlungen seiner Großen. Eine ausgedehnte Gesetzgebung, die sogenannten Kapitularien, sorgt für alle Fragen der damaligen Zeit. Für die bessere Schulung der Geistlichkeit wird Sorge getragen. Die fränkische Kirche hebt sich sichtbar durch die Bemühungen des Kaisers und der Geistlichen in seiner Umgebung. Karl ist mehr als der Papst das Haupt der abendländlichen Kirche. Selbst zuerst ein ungelehrter Mann, hat er für die Wissenschaft das regste Interesse. Mühsam hat er später schreiben gelernt. Seit seinem Aufenthalt in Italien im Jahre 781 zieht er fremde Gelehrte heran, um den Wissenschaften im Frankenlande auszuhelfen. Der Angelsache Alkvin wird Leiter der Hofschule für eine neue Generation von Bischöfen und Äbten.

Der Langobarde Paulus Diakonus verfaßt die Geschichte der Langobarden, der Westgote Theowulf kommt aus Spanien. Das Frankenland hat diesem Kreis von Gelehrten, der um den Kaiser zu einer Art von Akademie zusammengefaßt ist, in Angilbert und Einhard zwei hochbegabte Männer beigesteuert. Man nennt dieses Wiedererwachen gelehrter Studien, die überall auf der Antike aufbauen, die Karolingische Renaissance. Von hier sind, besonders durch die Schule von Tours, die mannigfaltigsten Anregungen ausgegangen. Hier haben Männer wie der Fuldaer Abt Hrabanus Maurus ihre Ausbildung genossen, die das Empfangene in den deutschen Gauen selbstschaffend weitergeben. Obwohl die lateinische Sprache die eifrigste Pflege findet, sorgt Karl doch auch für Erhaltung und Entwicklung der deutschen Sprache, volkstümlicher Werte. Er gibt den Winden und Monaten deutsche Namen. Er beginnt eine deutsche Grammatik, er läßt uralte deutsche Heldenlieder sammeln, gibt zur Übersetzung Anregungen, indem von den Geistlichen verlangt wird, daß sie das Vaterunser und das Credo der Gemeinde deutsch erläutern.

Eine Übersetzungsliteratur, erst bescheiden und dürftig, dann umfangreicher, rankt sich empor, und das neunte Jahrhundert sieht die ersten deutschen Bibeldichtungen in dem sächsischen Heliand und dem fränkischen Evangeliumsbuch Otfrids von Weißenburg. Die Taten des Kaisers regen den Geschichtsschreiber an, leider natürlich in lateinischer Sprache. So entstehen die großzügigen Reichsannalen, so Einhards "Leben Karls", die erste weltliche Lebensbeschreibung des Mittelalters.

Auch die Baukunst findet Pflege, ist aber durchaus von den Lombarden abhängig. Die Zeit ist noch nicht imstande, Eigenes zu geben. Zur Ausschmückung werden die antiken Kunstschätze herangezogen. Es geht so weit, daß selbst die Säulen von alten Bauwerken genommen werden. In Aachen läßt der Kaiser in der Nähe der warmen Quellen die Marienkirche erbauen. Die Pfalzen zu Ingelheim und Nymwegen werden errichtet. Man beginnt, vom Holzbau zum Steinbau überzugehen. Der Kaiser hat keine feste Residenz. Oft aber ist er in den Pfalzen des Rheinlandes, die eben erwähnt wurden, besonders in Aachen. Das Wort Pfalz stammt, nur durch Lautverschiebung verändert, von dem lateinischen Worte palatium (Palast).

Bei mannigfaltigster Fürsorge und ewiger Inanspruchnahme findet der Kaiser auch Zeit, für wirtschaftliche Dinge zu sorgen. Seinen Pfalzen schließen sich musterhaft geleitete Meierhöfe an. Er läßt sich bis in das kleinste vom Stande der Dinge unterrichten. Reichsgesetzte greifen belebend ein.

Früh drängt sich die Sorge um die Nachfolge auf. Schon 781 hatte Karl eine vorläufige Einteilung geschaffen, als er Pippin Italien, Ludwig Aquitanien zusprach. Nun wird in der Teilung von 806 beiden Söhnen der Herrschaftsbereich erweitert, während der Rest dem ältesten Sohne Karl zufallen soll. Nichts mehr vom Kaisertum! Aber der Tod wirft die Berechnungen über den Haufen. 810 stirbt Pippin, 811 Karl, und das sind die tüchtigen Söhne gewesen. Nun ist nur der wenig taugliche Ludwig übrig. Mit Zustimmung einer Reichsversammlung macht ihn der Kaiser 813 in Aachen zum Mitkaiser und Erben. Der Sohn nimmt sich auf Anordnung des Vaters selber die Kaiserkrone vom Altare und krönt sich. Bernhard, einem Sohne Pippins, wird als Unterkönig Italien zugewiesen; er untersteht der Oberherrlichkeit Ludwigs. Mit dem alten Kaiser aber kommt es zum Sterben. Am 28. Januar 814, erst 72 Jahre alt, ist Karl in der Aachener Pfalz gestorben. In der Marienkirche, dem heutigen Münster, wird er beigesetzt. Von späteren deutschen Kaisern hat hier Otto III. seine Ruhestätte gefunden.

So geht ein Leben zu Ende, das eingegriffen hat in das Schicksal der deutschen Nation, ein Großer, ein lebenserweckender, ein gütiger Herr der Seinen, der seine Freunde und seine Kinder liebt, ein strenger, aber nach Gerechtigkeit strebender Herrscher, ein Mann, der an sich selbst baut und arbeitet bis in das Alter hinein. Zugleich ein Herrschsüchtiger, erfüllt von der Wildheit des Bezwingenwollens, auch blutdürstig und grausam, wenn er Widerstand erfährt oder Treubruch erlebt. Eine gewaltige Erscheinung, gewiß kein Heiliger! Schon sein Sinnenleben und das Leben am Hofe sind nichts Heiliges gewesen. Trotzdem hat Friedrich I. im Jahre 1165 durch seinen Gegenpapst Paschalis Karls Heiligsprechung erreicht, die dauernd aufrecht geblieben ist.

Nach seinem Tode eignet sein Leben der Sage, der deutschen, der französischen, ja sogar, wenn auch schattenhafter, der slawischen. In der deutschen ist er der gerecht waltende Herrscher, der nicht gestorben ist, sondern, in den Untersberg bei Salzburg versetzt, auf die Stunde der höchsten Not des Reiches wartet, um entscheidend in einer letzten Schlacht auf dem Walserfelde für sein Volk einzugreifen. Ein Kranz von Dichtungen rankt sich in der Folge in allen von seinen Großtaten betroffenen Ländern um die Person des Mannes, der einer der kriegerischsten Herrscher der Weltgeschichte und einer ihrer glücklichsten gewesen ist.

Quelle: Deutsche Geschichte von Richard Suchenwirth, Verlag Georg Dollheimer, Leipzig, 1934 von rado jadu 2001


Alkuin und die Schule zur Zeit Karls des Großen

Roland, der Paladin Kaiser Karls des Großen

Drei kleinere Sagen von Karl dem Großen

Römischrechtlicher Traditionseinfluß auf die Gesetzgebung unter frühmittelalterlich-germanischer Herrschaft.

Die Kaiser Krone



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